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English translation |
Fritz Zwicky (1898-1974), dessen hundertster Geburtstag 1998 gefeiert wurde, gilt sowohl als einer der brillantesten Astrophysiker als auch als eine der ungewöhnlichsten Persönlichkeiten in diesem Jahrhundert. Der Schweizer Zwicky wurde am 14. Februar 1898 in Varna in Bulgarien geboren und wuchs in Mollis im Glarnerland auf. |
Zwicky's Studienjahre an der ETH in Zürich sind durch eine Schwäche für geniale Lehrer geprägt. Am Ende seines Studiums in Physik diplomierte er bei Herman Weyl (1885-1955) . Während seiner ETH Zeit war Zwicky vor allem von seinem Physikprofessor Auguste Piccard (1884-1962) beeindruckt. Nach einer Dissertation im Jahre 1922 unter der Leitung von späteren Chemie Nobelpreisträger's (1936) ) Peter Debye (1884-1966) und Korreferenten Paul Scherrer (1890-1969) (dem Mitbegründer des Cern) wurde er vom späteren Nobelpreisträger Millikan ans Caltech gebracht, wo Zwicky dann für lange Zeit eine Professur hatte. Zwicky hatte regelmässig Kontakte mit Albert Einstein. Diese Kontakte und die Tatsache, dass Einstein an der ETH zu Zwicky's Studienzeit an der ETH lehrte, dass er in the USA manchmal als Schüler von Einstein vorgestellt wurde. Zwicky's Schwäche für Genies wird vorallem in seinem Buch "jeder ist ein Genie" ersichtlich. Dieser Titel steht heute in krassem Widerspruch zum Dilbert'schen Prinzip: "Wir sind alle Idioten". Doch wer das Buch liest wird es vielleicht fast als einen Vorläufer des Dilbert Prinzips entdecken. |
Zwicky wurde 1925 von Millikan ans Caltech geholt. Millikan, (1868-1953) der 1923 den Nobelpreis durch seine Arbeit über die elektrische Elementarladung ( Millikan Öl experiment ) erhalten hatte, erwartete von Zwicky zuerst theoretische Forschung auf dem Gebiete der Quantenmechanik von Atomen und Metallen. Im Laufe der 20'er und 30'er Jahre zog es Zwicky jedoch zur Astrophysik. Nach einer der vielen Anekdoten, die von Zwicky erzählt werden, habe er einmal Millikan vorgeworfen habe, dass jener niemals selbst eine Idee gehabt habe, worauf Millikan antwortete "Nun gut, junger Mann, wie steht es mit Ihnen?" Zwicky gab zurück: "Ich habe all zwei Jahre eine gute Idee. Geben Sie mir ein Thema, ich liefere Ihnen die Idee!". Worauf Millikan den jungen Zwicky spontan aufgefordert habe, sich in Astrophysik zu versuchen (Quelle Wild). Tatsächlich brauchte Caltech zu dieser Zeit Astrophysiker, denn es war mit dem Bau des Palomar Observatoriums beauftragt worden. |
Während in den dreissiger und vierziger Jahren viele von Zwicky's Kollegen jenen als einen ärgerlichen Possenreisser hielten, sollten ihn spätere Generationen von Astrophysiker als ein kreatives Genius betrachten (Quelle Thorne). Aversionen gegen Zwicky's Art, "das Kind beim Namen zu nennen" und Bescheidenheit als Lüge zu betrachten, überleben bis heute. In der Geschichte des Wilson Observatoriums oder manchem Textbuch der Astronomie sucht man die Namen Zwicky oder Baade vergeblich. Einer der Gründe mag auch darin bestehen, dass der eher sture Zwicky die Schweizer Bürgerschaft immer beibehalten hat, obwohl er mehr als 40 Jahre lang in den USA gelebt hatte (Quelle Wild). |
Vom Campus des California Institut of Technology (kurz Caltech) in Pasadena aus hat man bei gutem Wetter eine gute Sicht auf den Mount Wilson . Auf diesem Berg nahe bei Pasadena unterhält Caltech bis heute ein Observatorium. Von Pasadena aus kann man in einer guten halben Stunde nach schöner, passähnlicher Autofahrt auf der Crest Highway den Gipfel erreichen. Der Ort ist vor allem im Sommer eine kühle Oase ist, nördlich vom kargen Mojave Wüstengebiet und südlich von der Los Angeles Metropole umgeben. Der Glarner Zwicky schätzte diesen Ort in den Kalifornischen Sankt Gabriel Bergen nicht nur zum Arbeiten. Als passionierter Bergsteiger liebte er die Berge. Er hatte im Winter zum Beispiel manchmal seine Skies zur Arbeit mitgenommen um in der freien Zeit neben dem Teleskop auf einer selbstgebauten Schanze zu springen. |
Von wissenschaftlicher Hinsicht her ist der Mount Wilson
ein historisch wichtiger Ort:
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Über Zwicky existieren viele Annektoten:
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Walter Baade (1893-1960), ein deutscher Astronom, war am Anfang der dreissiger Jahre von Hamburg und Göttingen nach Pasadena gekommen, um am Mount Wilson, Sternbeobachtungen zu machen. Baade war ein brillanter Astronom mit enzyklopädischem Wissen. Er war so ziemlich das Gegenteil vom stürmischen Zwicky. Die Antipoden Zwicky und Baade kamen sich jedoch bald näher, jeder die Qualitäten des anderen schätzend. Man sah in diesen Jahren Zwicky und Baade in Pasadena oft animiert über "Novae" diskutieren. Novae sind neu auftretende Sterne, die plötzlich 10000 mal stärker sind als vorher sind und deren Helligkeit dann nach etwa einem Monat langsam zum Normalwert zurükkehren. Es gab damals auch Hinweise auf übermässig helle Novae die in bestimmten Nebeln auftreten. In den 20'er Jahren begannen die Astrophysiker zu vermuten, dass diese Nebel keine Gasnebel in unserer Milchstrasse, sondern eigene Galaxien sind, riesige Ansammlungen von Billionen von Sternen. Solche Novae würden aber nach Baades Berechnungen millionenfach stärker als die Sonne sein. |
Mit einem Flair fürs Extreme war Zwicky fasziniert von Novae. Zusammen mit Baade nannte er das Phänomen "Supernovae". Sie sahen voraus, dass diese Supernovae durch Explosionen von normalen Sternen entstehen. Um diese Explosionen zu erklären, erfand Zwicky den Neutronenstern. Der Zufall wollte es, dass das Neutron gerade um die Zeit entdeckt wurde, als Baade und Zwicky daran arbeiteten, die Supernovae zu erklären. Das Neutron war gerade das, was Zwicky brauchte. Vielleicht könnte ein normalen Stern implodieren bis er die Dichte das atomaren Kernes erreichte? Zwicky nannte ein solches Neutronengas einen "Neutronenstern". Die freigewordene Implosionsenergie würde in explosive Energie umgesetzt und das wäre genug, um das Phänomen der Supernovae zu erklären. Um diese Zeit war man auch daran, die Herkunft der kosmische Gammastrahlung zu ergründen, von der die Erde vom Weltraum aus beschossen wird. Millikan war der führende Forscher auf diesem Gebeit. Zwicky überzeugte sich, dass die meiste dieser kosmischen Strahlung von Supernovae stammt. Im Jahre 1934 präsentierten Zwicky und Baade ihre Arbeit "Supernovae and Cosmic Rays" in Stanford. Sie gilt als eine der weitsichtigsten Arbeiten in der Geschichte der Physik und der Astronomie (Zitat Thorne). |
Der Ablauf der Entdeckung der Neutronensterne ist exemplarisch. Heute,
60 Jahre nach der Entdeckung des Neutronensterns finden Astrophysiker
immer noch neue Sternformen. Im Mai 1998 wurde gerade eine neue
Sternart entdeckt, sogenannte
Magnetars . Das sind
Neutronensterne mit den stärksten magnetischen Feldern die
man kennt. Diese Sterne wurden vor 6 Jahren von
Duncan und Thomson
theoretisch vorausgesagt. Beobachtungen von diesem Jahr bestätigen
nun diese Theorie, obwohl die Fachwelt deren Ideen lange belächelt hat.
Fritz Zwicky bemerkte im Jahre 1933, dass reiche Galaxienhaufen 10 bis 100 mal die sichtbare Masse haben müssen damit sie zusammenzuhalten werden. Die Ursache für diese dunkle Materie ist auch heute noch zum Teil noch ein Rätsel. |
Zwicky's entwickelte phantastische Science Fiction Ideen, die denen von
Jules Vernes kaum nachstehen.
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"Morphologie" ist eine Denkmethode, die von Zwicky begründet wurde.
Eine der Ideen der Morphologie ist, systematisch Kombinationen nach
Lösungen von Problemen abzusuchen.
Dabei bedient man sich zum Beispiel eines 'morphologischen Kastens'.
Dass dabei auch a priori unsinnige Kombinationen durchprobieren werden, die
noch niemand vorher gemacht, birgt eines der Grundelemente der
Kreativität.
Im Falle vom Schachspiel zum Beispiel war es eine Überraschung,
dass rein systematisches Absuchen von Zugskombinationen mit zu kreativem
Schachspiel führen kann. Es hatte soweit geführt, dass
Garry Kasparov dem Team hinter dem Schachkomputer
Deep Blue
nach einem verlorenem Spiel zuerst betrügerische Tätigkeiten
unterstellt hat. Zwicky hat die Morphologie in seinen Forschungen, als auch in der Industrie als Berater bei der Firma Raketen firma "Aerojet" angewandt. Als Illustration, wie Zwicky zu Ideen gekommen sein könnte, kann der Leser oder die Leserin die Methode selbst versuchen. Man bilde alle Kombination von Begriffen aus dem folgenden Kasten:
Beim Durchprobieren von Kombinationen, generiert man ganz verrückte Dinge, zum Beispiel eine neue Art von Raumfahrt, bei welcher die Sonne als Rakete verwendet wird, oder die Idee, mit einem Geschoss auf den Mond zu schiessen oder die Idee mit einem Geschoss quer durch die Erde zu reisen. Alle drei Dinge wurden von Zwicky tatsächlich vorgeschlagen. Morphologie war zeitweise im Management populär, zum Beispiel an der Ciba . Die Methode hat jedoch auch ihre Nachteile und kann zu schwerfällig sein. Eine Anektote dazu, wie auch eine Kritik von Bruno Stanek an der Methode findet sich in Müller's Buch über Zwicky. |
In Müller's Zwicky-Biographie wird die Frage aufgeworfen ob es Lenin war, der in Zürich mit Zwicky Tür an Tür mit Zwicky an der Spiegelgasse gewohnt hat, der Zwicky den Anstoss zur Morphologie gegeben gatte. Nach Zwicky's Freund Albert Wilson, habe im friedlichen Zürich am Anfang des Jahrhunderts ein Klima der Toleranz geherrscht, welches neuen Ideen ungestörtes Wachstum erlaubte: Beispiele wie Lenin, Einstein, C.G. Jung, Trotzky oder Zwicky zeugten davon. (Quelle Müller). Ob Lenin Einfluss auf Zwicky hatte, ist eher zweifelhaft, denn Zwicky war als Student überzeugter Antikommunist und verliess die Hochschule sogar für eine Weile um als politischer Sekretär einer von ihm mitgegründeten Organisation den 'kommunistischen Agitatoren' entgegenzutreten. Der Einfluss von Zwicky's Lehrern am Poly (Jargon für die ETH Zürich ) könnte entscheidender für sein Nachdenken über Denkmethoden gewesen sein. Zwicky hatte Vorlesungen bei hervorragenden Mathematikern wie Weyl, Grossmann, Polya oder Hurwitz. Polya zeigt in einem berümten Büchlein über das Lösen von mathematischen Problemen, dass er an der ETH über Mechanismen zur Kreativität unterrichtet wurde. |
Neben seiner Arbeit am Caltech war Zwicky auch in der Californischen
Raketenfirma 'Aerojet' beschäftigt. Nach Reichstein war dieses zweite
Tätigkeit für Zwicky eine Möglichkeit vom Campus zu
verschwinden, wenn die Luft am Caltech wieder einmal zu dick wurde. Zwicky war stolz darauf, wesentlich dazu beigetragen zu haben, 1957 als erster ein Geschoss in den Weltraum geschossen zu haben, dass die Erdgravitation für immer verlassen hat. Diese Versuche funktionierten so, dass auf einer von Deutschland übernommen V2 Rakete ein Sprengsatz montiert wurde, auf der dann beim Erreichen des Zenits der Flugbahn eine Kugel weggesprengt wurde. Diese Versuche mit 'künstlichen Meteoren' haben kurz nach dem 2. Weltkrieg begonnen und waren zuerst erfolglos. Als es 10 Jahre später endlich klappte, fanden sie im Schatten einer dramatischeren Entwicklung statt: Sputnik war gerade in eine Erdumlaufbahn geschossen worden und der dadurch entstandene psychologische Shock löste eine fieberhafte Forschung der USA aus, von der Zwicky überrollt wurde. Es scheint ihn gefuchst zu haben, dass die späteren Entwicklungen der Raumfahrt ohne ihn stattgefunden haben. Ein Hinweis darauf gibt die Tatsache, dass der erste Schritt des Menschen auf dem Mond von Zwicky in seinem Tagebuch nirgends erwähnt wurde. |
Durch das Aufwachsen im Glarnerland war Zwicky auf natürliche Weise
zum Bergsteigen gekommen. Auch wärend seiner Zeit an der ETH ging er
meist mit seinem Freund
Thadeus Reichstein (1897-1996) zu Berg.
(Reichstein hat später den Nobelpreis in Medizin
mit Philip S. Hench and Edward C. Kendall geteilt für
die Entdeckung des Cortisons.
Reichstein
hat auch als erster das
Vitamins C synthetisiert und damit die Grundlagen für eine
industrielle Produktion dieses Vitamins gelegt.) Das Bergsteiger-Duo Reichstein-Zwicky hatte auch neue Routen in den Alpen erschlossen, die dann zum Teil im Clubführer des SAC aufgenommen worden sind. Im Jahre 1924 zum Beispiel bestiegen sie als erste den oberen Teil der Glärnisch Nordwand. Als Zwicky im Jahre 1925 ein Rockefeller Stipendium offeriert wurde, um in den USA ein Postdoc zu machen, wählte er das Caltech in Pasadena. Man sagt, er habe als Grund für diesen Ort angegeben: "weil es dort Berge habe". Auch Zwicky's Begründung, überhaupt Bergsteigen zu gehen ist typisch, originell und stolz auf die Originalität:
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Über Jahrzehnte hat Zwicky mit
Rösli Streiff (der
Slalomweltmeisterin von 1932)
Korrespondenz unterhalten. Diese in Müller's Biographie
zum Teil wiedergegebenen Briefe sagen
viel über das Leben und Denken von Zwicky aus.
Die Korrespondenzen mit Streiff versiegen leider 1947,
als Zwicky zum zweiten mal heiratete.
Ein Auszug aus einem der letzten Briefe an Streiff, in einer für
Zwicky stressvollen Zeit im Jahre 1946, als Zwicky noch geschieden
lebte:
Seine zweite Frau, Margrit Zürcher hat Zwicky Anfangs 1947 in Thun kennengelernt. Auch nach seiner Emeritierung im Jahre 1968 lebten sie in Pasadena, wobei sie sich auch für längere Zeit in der Schweiz in Gümligen aufhielten. |
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